"Vertrauen - als die zentrale Währung des Branding - wird nur über echte Begegnungen geschaffen."

Jan Kalbfleisch

Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des FAMAB Kommunikationsverband e.V.

Interview mit Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer FAMAB 

Jan Kalbfleisch vertritt als Geschäftsführer des FAMAB Kommunikationsverband e.V. die Live-Kommunikationsbranche (Messebauunternehmen, Zulieferer, Montage-Betriebe, Eventagenturen, Caterer). 
Wir haben mit Ihm über die aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Messelandschaft, Vertrauen  und die Entwicklung der künftigen Messeformate gesprochen und wagen somit einen kleinen Blick in die Zukunft der Live-Kommunikation.



Die Corona-Krise hat seit März 2020 die Messebrache erschüttert. Wie hat sich dadurch Ihre Funktion und Ihr Tagesablauf als Geschäftsführer des FAMAB e.V. verändert?
Jan Kalbfleisch: Mein Ablauf hat derzeit absolut nichts mit dem "Normalen" zu tun. Zunächst einmal: Diese Krise stellt auch uns als Verband vor existenzielle Probleme. Daher musste auch ich Teile unseres Teams in 100% Kurzarbeit schicken, um Kosten zu sparen. Alles, was derzeit nicht akut und überlebenswichtig ist, muss warten.
Und überlebenswichtig ist derzeit nur, was unseren Mitgliedern direkt hilft.
Daher bin ich praktisch den ganzen Tag am Telefonieren, Schreiben und in Online-Meetings mit politischen Entscheidungsträgern, anderen Branchenvertretern, den Medien und vielen Mitgliedern.


Wie sieht die Lage bei Ihren Mitgliedern, z.b. den Messebaufirmen aktuell tatsächlich aus?
Jan Kalbfleisch: Ohne jeden Anflug von Alarmismus: Die Lage muss man als dramatisch bezeichnen. Die Unternehmen haben zwar alle Ihre Hausaufgaben gemacht und sparen Kosten wo sie nur können, doch in Summe reichen die aktuellen Hilfen nicht aus, um Unternehmen, die in einem derart massiven Schadenszenario hängen, das Überleben zu sichern. Und mit jedem Monat der fruchtlosen politischen Diskussion verschlimmert sich die Lage.


Was konnte der FAMAB e.V. bis jetzt für seine Mitglieder aus der Veranstaltungsbranche auf politischer Ebene erreichen bzw. wo haben Sie sich persönlich engagiert?
Jan Kalbfleisch: Zunächst einmal konnten wir erwirken, dass überhaupt ein Hilfspaket auf den Weg gebracht wurde. Zusätzlich konnten wir den Regierungen und letztlich der gesamten Bevölkerung die dramatische Lage der Veranstaltungswirtschaft vor Augen führen. Leider war das erforderlich, da zwar jeder gerne auf Messen und Veranstaltungen geht, jedoch kaum jemand sieht, was davor und danach notwendig ist.


Messen dürfen seit September wieder stattfinden. Leider scheitern diese oftmals wegen der zu niedrigen Ausstellerbeteiligung. Sollten Messeveranstaltungen künftig nicht mehr an den Rekordzahlen vergangener Jahre gemessen werden? Gibt es hier ein Umdenken?
Jan Kalbfleisch: Ein Umdenken kann ich derzeit nur begrenzt erkennen. Eine Jagd nach neuen Rekorden, die derzeit auch komplett unsinnig wäre, kann ich allerdings auch nicht erkennen. Das Problem ist schlicht, dass viele der heutigen Veranstalter eigene und sehr umfangreiche Infrastrukturen vorhalten. Damit sind sie auf eine gewisse Auslastung angewiesen. Derzeit müssen wir aber akzeptieren, dass insbesondere Aussteller und Besucher aus dem internationalen Umfeld aktuell nur sehr begrenzt teilnehmen können. Diese Tatsache wird zwangsweise das Bild einiger Messen - leider dabei insbesondere der so genannten Weltleitmessen - verändern.


Messegesellschaften setzen daher im Herbst oftmals auf hybride Messen – was heißt das genau?
Jan Kalbfleisch: Hybride Veranstaltungsformate setzen auf eine Vernetzung des Digitalen mit dem Analogen. Konkret wird meistens eine kleine Live-Veranstaltung dazu genutzt, einen deutlich größeren Kreis an Teilnehmern über digitale Kanäle anzusprechen.


Wie werden unsere Messen künftig aussehen? Wird jetzt alles digital oder hybrid?
Jan Kalbfleisch: Ich glaube gar nicht, dass Messen sich so grundlegend ändern werden. Es gibt glaubhafte Überlegungen, dass Messen an sich kleiner, regionaler und spezifischer werden, aber im Kern werden Messen meiner Auffassung nach die Marktplätze bleiben, die sie heute sind.
Betrachtet man die Entwicklung ganz kritisch und rechnet mit einer weitgehenden Abwanderung der Kommunikation ins Digitale, müsste man eher den gesamten Fortbestand von "Messe" als Kommunikationsformat in Frage stellen. Denn "Digitale Messen" halte ich persönlich für ziemlich unnötig.


Welche Vorteile bietet ein physischer Messeauftritt den Ausstellern im Vergleich zur rein virtuellen Teilnahme oder eben einem hybriden Konzept?
Jan Kalbfleisch: Wir erleben derzeit sehr klar, dass rein digitale Formate nicht funktionieren, denn die echte Begegnung zwischen Menschen ist durch nichts zu ersetzen. Vertrauen - als die zentrale Währung des Branding - wird nur über echte Begegnungen geschaffen. Daher ist es meine feste Überzeugung, dass rein digitale Formate nicht das sind, womit unsere Kunden ihre Ziele erreichen können. Derzeit ist oftmals nichts anderes möglich - aber wir kommen ja hoffentlich auch wieder in andere Situationen.
Des Weiteren gibt es bereits geprüfte Hygienekonzepte für die Durchführung von physischen Messen, die wir teilweise gemeinsam mit dem AUMA entwickelt haben. Der aktuell stattfindende Caravan-Salon zeigt ja auch deutlich, dass das geht. Mit 42.000 Teilnehmern am Startwochenende darf man von einem erfolgreichen Restart sprechen. Die genauen Hygienekonzepte hängen leider von vielen Faktoren ab.


Wie können wir die Aussteller besser animieren auf die Messen zurückzukehren bzw. Überzeugungskraft leisten?
Jan Kalbfleisch: Es liegt meiner Auffassung nach nicht an "Überzeugungskraft". Unternehmen als Aussteller, Veranstalter, Teilnehmer werden erst "zurückkehren", wenn sie keine vitale Gefahr mehr sehen. Hilfreich jedoch ist sicherlich positive Berichterstattung über die wenigen existierenden Messen.


Wann rechnen Sie mit einer stabileren Lage oder Konsolidierung auf einem erträglichen Niveau?
Jan Kalbfleisch: Derzeit müssen wir damit rechnen, dass erst ein Impfstoff oder eine wirksame Medikation für ein belastbares Rückkehrszenario sorgen kann. Möglicherweise bieten Tests noch eine interessante Möglichkeit.

 

Fragen: Martina List